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Aus dem Leben einer Uhudame

Sie ruht in sich, in der Zeit und in ihrer Welt. Etwas Mystisches umgibt sie, als käme sie aus Zeiten herbeigeflogen, in denen die Wälder noch wild und lebendiger waren.

Sie nimmt uns mit auf ihren nächtlichen Flug und zeigt uns ihr Geheimnis. Mit unglaublicher Präzision und Geschwindigkeit tragen ihre weiten Schwingen ihren Körper sicher zwischen den Bäumen des Waldes. Denn sie und der Wald sind eins. Uhus sind mit ihrem Lebensraum auf eine tiefe Weise verbunden: sie sind Teil des Waldes und der Wald ist Teil von ihnen. Der Wald als ein einziger großer Organismus - was das bedeutet, lässt uns die Uhufrau spüren.

Sie lebt in einem Luxus, den wir nicht mehr kennen: sich einfach leiten zu lassen und ohne Plan nur den inneren Bedürfnissen zu folgen. Die Dunkelheit ist ihr Element. Sie liebt die Schwärze der Nacht, den Mond, der in klaren Nächten durch die Baumwipfel scheint. Von der nächtlichen Jagd kehrt sie zurück zu ihrem Zufluchtsort. Verborgen in ihrer Baumhöhle schläft sie in tiefer Verbundenheit mit dem Baum, der sie beheimatet. Dort zwischen Himmel und Erde erfährt sie ein Gefühl von Geborgenheit und Einssein mit der Welt.

Sie hat alle Stufen durchlaufen und kann nun die Ruhe des Alters genießen. Sie kann einfach nur noch sein. Diese Freiheit genießt sie sehr. Sie ist dankbar, schon so lange zu leben. Ihre einzige Furcht gilt dem Lärm und dem Verlust der Natur und mit ihr auch der Freiheit. Die Wälder verschwinden, verlieren ihren Artenreichtum, der Lebensraum der Tiere wird knapper. Der Mensch breitet sich rücksichtslos aus. Plastik, Lärm, Schmutz und Gestank bringen wir mit. Noch kann sie ausweichen - aber wie lange noch? Wo sollen all die kleinen, jungen Nachkommen der Tiere geschützt aufwachsen?

Respekt und Freiheit sind die Worte, die für sie von größter Wichtigkeit sind. Dies ist auch gleichzeitig ihre Botschaft an uns Menschen: Wir sollen lernen die Welt und andere Geschöpfe als Ganzes zu sehen. Sie wünscht sich, dass wir die Wälder wieder wild sein lassen und nicht eingreifen in diese Natur, die wir nicht verstehen. Wir fällen Bäume und zerstören, was den Wald ausmacht. Sein natürliches Gleichgewicht, seine Kraft - und seinen Zauber. „Geht in die Wälder und lauscht. Die Nächte im Wald sind mystisch und schön, aber auch am Tage könnt ihr die große Weisheit der Wälder erfahren, wenn ihr nur eure Sinne öffnet. Die Erde lebt von der Vielfalt.“

Und diese Vielfalt sollten wir bewahren. Wenn wir eingreifen und künstlich aussortieren, geht das Wundervollste was wir haben verloren. Wir sollen uns an der Welt erfreuen. Dazu müssen wir lernen, die Dinge nicht nur oberflächlich zu betrachten. Wenn wir das ganze Wesen, das ganze Sein in uns aufnehmen, lernen wir es zu lieben. Dann können wir die Unterschiede, die einen jeden ausmachen bewundern und nicht verurteilen oder kritisieren. Wenn jemand so sein darf, wie er wirklich ist, dann ist er frei. Ob einem Menschen, den Tieren oder der Natur – diese Freiheit zu schenken, ist eine der respektvollsten Handlungen, die auch den Schenkenden befreit.